Ich habe mir Janichs Argumentation mal angesehen (allerdings nur den Text einschließlich der Kommentare auf der oben verlinkten Seite). Vorab: Ich sehe mich nicht explizit als
Zinskritiker; mir geht es mehr darum, das Geldsystem und den damit möglicherweise notwendig verknüpften Zins
besser zu verstehen. Ich sage notwendig verknüpft, denn eine statische Größe wie ein zinsloses Geldsystem ist in einer allein durch die Zeitkomponente
dynamischen Welt so unflexibel, dass es mit einer hohen Fragilität einhergeht (sofern es nicht in ein zinsfähiges System eingebettet ist).
Mein Hauptkritikpunkt an Janichs Argumentation ist jedenfalls etwas, das auch in den Kommentaren angedeutet wird, auch wenn der Begriff, den ich verwenden will, nicht vorkommt. Ich greife nur den Punkt mit der Wertschöpfung auf und verteidige die Behauptung, dass der Zins als
Hebel wirkt, was Janich zu widerlegen versucht. Der Ansatz ist ungefähr wie folgt, Zitat:
Oliver Janich schrieb1. Der Zins ist nicht gedeckt
Doch, durch die Wertschöpfung. Beispiel:
a) Ich habe 100 Einheiten Gold und einen Baum. Gold ist nichts wert, da der Baum nichts wert ist.
b) Ich stecke Arbeit rein und zersäge den Baum und verwende ihn als Brennholz: Die 100 Goldeinheiten sind soviel wert, wie den Leuten Brennholz wert ist, beispielsweise 10 Euro (nur als Illustration, also in heutigem Geld ausgedrückt).
c) Ich stelle aus dem Holz Stühle her. Die sind den Leuten 100 Euro wert. 100 Goldeinheiten entsprechen dann 100 Euro. Die Zinsen sind also durch die Arbeit gedeckt. Wenn ich mir also Geld für den Baum und eine Säge geliehen hätte, wäre der Zins dafür durch den höheren Wert des Goldes gedeckt (in der nächsten Zeitperiode). Um sich das besser vorstellen zu können: Der Kreditnehmer gibt dem Goldverleiher das Gold zurück plus einen Stuhl als Zinsen. Durch technischen Fortschritt muss man immer weniger körperliche Arbeit reinstecken, wir müssten alle weniger arbeiten beziehungsweise werden entsprechend dem Produktivitätsfortschritt immer reicher.
Ok, es ist unmittelbar ersichtlich, dass Baum und Gold einen Wert haben, noch bevor ein Mehrwert generiert wurde. Der Punkt ist, und das ist der Begriff, der m. E. hier fallen sollte, dass wir – sofern eine Praxis bekannt ist, mit der sich Mehrwert überhaupt generieren lässt – eine
Wertabschätzung vornehmen. Janich selbst erwähnt in seinem zweiten Punkt beiläufig eine Firma, deren Börsenwert z. B. 100 Millionen Euro betragen kann. Das allerdings ist eben auch noch kein Mehrwert, es ist vielmehr genauso eine
Wertabschätzung, mit einfachen Worten schlicht eine Wette. Und eine Wette bedingt eben, allein durch die Zeitkomponente bis deren Stichhaltigkeit festgestellt wird oder nicht, genauso einen Hebel wie eine Schuld, die irgendwann immer dringender beglichen werden muss (edit3: oder eben erlassen wird).
(edit) Dass wir alle ständig umherrennen, Wetten einlösen und Schulden begleichen wollen, nenne ich salopp mal Wirtschaft. (edit2) Wenn wir Glück haben, passiert zwischendrin vielleicht auch sowas wie Wertschöpfung durch eine bekannte Praxis, sei es ein kluges Posting in einem Online-Forum, ein unvermutetes Anlächeln auf der Straße oder eine freundliche Bemerkung an der Supermarktkasse.
Wachstum und Zerfall über die Zeit heißt die Gleichung, abstrahiert im Zins.