Moin zusammen!

ich habe mir die letzten Tage Reddit Posts, Diskussionen, Tutorials, Youtube Videos, Berichte und andere Sachen über Linux und Arch durchgelesen und angesehen. Danach begann ich in der VirtualBox die erste Arch Installation zu wagen und ein wenig rumzuspielen. Debian und Fedora habe ich ebenfalls mal probiert. Soweit so gut.
Ich möchte es mir selber nicht zu leicht machen und Linux so gut wie möglich und auch nachhaltig verstehen, weshalb ich mich letztendlich für Arch entschieden habe.

Dennoch bleiben ein paar eher allgemeine Fragen offen. Ich hoffe ihr könnt mir helfen.

Egal wo ich etwas lese. Sobald es um verschiedene Distros geht, reden die Leute immer darüber wie "stable" Distro A gegenüber Distro B ist.
Sätze wie "XY sollte eine lange Zeit/mehrere Jahre stabil laufen" sind mir oft begegnet. Es ging dabei denke ich nicht um den Unterschied von rolling release zu einer stable version. Sondern wirklich um die Stabilität der jeweiligen Distro.
Meine Frage ist nun: was versteht die Linuxwelt unter stabil? Ein weiteres Thema ist oft auch "breaking your system".
Ich bin mein ganzes Leben Windows-Nutzer gewesen und meine Vorstellung von einem nicht stabilem System ist:
-Fehlermeldungen über Fehlermeldungen
-Programme lassen sich nicht öffnen oder stürzen während der Benutzung ab
-das System als ganzes friert ein oder funktioniert nicht mehr
-das System wird langsam

Und wenn es zu "breaking your system" kommt, denke ich daran Linux garnicht mehr starten zu können bis hin zum Datenverlust.
Wie nah an der Realität sind diese Gedanken oder ist meine Vorstellung von "Stabilität/stable" von Beginn an falsch?

Wäre es zum Beispiel möglich ein Paket was Probleme verursacht einfach wieder über den pacman runter zu schmeißen(sofern ich das Prblem nicht selber beheben kann)?

Was kann ich allgemein tun um Arch stabil und lange funktionabel/am Leben zu halten? Ich verstehe, dass regelmäßiges Updaten mit -Syu wichtig ist. Aber was ist wenn ich das einfach nicht tue? Arch sollte weiterhin vor sich hin laufen, oder?

Vielen Dank für eure Zeit.

  • Dirk hat auf diesen Beitrag geantwortet.

    Hi,

    ich denke, zu deinen Fragen hat jeder, der Linux benutzt, auch wieder unterschiedliche Sichtweisen dazu was man als stable ansehen sollte...
    Debian wird ja als stable bewertet in erster Linie, weil in einer Version nur die nötigsten Sicherheitslücken geschlossen werden und ansonsten die Paketversionen nicht weiter verändert werden.

    Sofern du Arch nicht aktualisieren würdest (und Glück hast, das gerade in deinen installierten Programmen keine Fehler enthalten sind) währe dies für dich wohl auch "stable". Da jedoch Sicherheitslücken fixen schon heutzutage wichtig ist, währe dies dann wohl die falsche Distro für dein heran gehen.

    Ich nutze für den Denktop auch Arch, für den Server allerdings Debian.
    Dies muss jeder dann doch selbst für sich entscheiden, wie aktuell die Pakete sein sollten für den jeweiligen Anwendungsfall. Alternativ dann wohl noch eine Mischung aus den Konzepten wie Manjaro, was wohl auch wie Rolling angesehen werden könnte. Aber dort werden die neuen Pakete auch noch ein paar Wochen lang zurück gehalten und nur Stufenweise eingespielt. -> Manjaro habe Ich bei meiner Mutter zb. Installiert, aber oft mehr Probleme gehabt mit Abhängigkeiten, als bei Arch selbst 😉

    Daher musst du deine Bedürfnisse kennen und die jeweiligen Anwendungen, die darauf laufen sollen.
    Auch zb. Gnome ist da so ein typisches weiteres Beispiel. Die neue Versionen von Gnome selbst laufen stabil, jedoch sind viele Erweiterungen (was wohl die meisten dort benutzen) noch nicht alle soweit von den Leuten, das auch diese dort laufen....

    Scoots Was kann ich allgemein tun um Arch stabil und lange funktionabel/am Leben zu halten?

    Ich nutze seit ~10 Jahren dieselbe installation. Irgendwann habe ich die Festplatte mal in ein anderes System eingebaut, und vor zwei Jahren oder so mit dd von Festplatte auf SSD umgezogen.

    System läuft nach wie vor ohne Probleme.

    Wenn man von einem "stable" Release spricht, meint man gemeinhin, dass Software nur in einer bestimmten Version in den Repositories vorhanden ist.

    Nehmen wir als Beispiel den Desktop LXQt. Das LXQt Projekt hat im April 2021 Version 0.17.0/1 veröffentlicht. Eine Rolling Release Distribution wird kurz nach der Veröffentlichung damit beginnen, die Pakete für Version 0.17 zu erstellen und freizugeben. Ein Nutzer wird also relativ schnell die aktuellste Version auf dem System haben.

    Bei einer Stable Release Distribution wird die Version 0.17 frühestens in der kommenden Version enthalten sein.
    Beispielsweise Lubuntu 20.04 ist eine Long Term Support Version, die 3 Jahre Support anbietet, aber in ihr ist LXQt in Version 0.14.1 enthalten. Wird vom LXQt Projekt ein Fehler geflickt, der auch schon in Version 0.14.1 vorhanden ist, wird das dann vom Lubuntu Team im entsprechenden Paket geflickt, aber die Version bleibt auf 0.14.1.

    Die Stabilität von Stable Release Distributionen kommt auch daher, dass die Version einer Bibliothek im System nicht ändert. Bei LXQt wurde die Version von libfm-qt angehoben. Jedes Paket, das libfm-qt benötigt, muss also neu gegen die neue Version gebaut werden.
    Wenn du also ein Rolling Release einsetzt und selbst ein Programm geschrieben hast, das auf libfm-qt8 aufsetzt, wirst du Probleme bekommen, da bei LXQt 0.17 libfm-qt9 ausgeliefert wird.

    Ob und wie gut die Pakete in den Repositories gepflegt werden, hängt allerdings von den Paketmaintainern ab. Es kann also auch sein, dass in Arch Linux längere Zeit keine neue Versionen mehr eingepflegt werden.

    Eine Distribution ist dann stabil wenn ihre Community arbeitsfähig bleibt. 😀
    Mit der herausgegebenen Softwarequalität hat das aber nur sekundär etwas zu tun.

    Die größten Missverständnisse entstehen dadurch weil der Begriff stable nicht von static unterschieden wird.

    Nehmen wir mal Debian als Beispiel:
    Jedes Softwarepaket wandert dort von den Repos "unstable" zu "testing" und das "testing" Repro wird dann alle zwei Jahre "eingefroren" und zu "stable" umbenannt. Der qualitative Unterschied besteht dabei eben nicht in der Beschaffenheit der einzelnen Softwarepakete, sondern nur darin, dass zwischen "unstable" und "testing" ein automatischer Test stattfindet damit sich Paketabhängigkeiten nicht gegenseitig verheddern. Und das "stable" ist nichts anderes als ein umbenanntes "testing".
    Viel klarer wäre es wenn man die Repositorien bei Debian in "rolling", "tested-rolling" und "static" umbenennen würde.

    Im Prinzip macht das Arch-Linux genauso, nur dass Arch auf eine statische Ausgabe alle zwei Jahre verzichtet.
    Die Pakete in Arch werden getestet bevor sie heraus gegeben werden. Dies geschieht mit unterschiedlicher Intensität je nachdem ob die dem "core", "community" oder "extras" Repositorium entstammen.

    Für was braucht man statische Paketsammlungen (Distributionen wie Debian stable)?
    Wenn man einen Server öffentlich betreibt, dann möchte man nicht alles ständig testen müssen.
    Man benötigt also einen Unterbau an dem sich nichts mehr ändert. Diese Statik ist das was hier Stabilität gibt. Die Qualität der Software ist dabei sekundär, die wäre sogar oft viel besser wenn man neuere Paketversionen einspielen würde. Das ist aber egal, weil man es schlicht über lange Zeit genau so braucht wie es ist.
    Im privaten Bereich setzen viele Leute aber auch Arch auf ihrem Servern ein.

    Beim Desktop ist es wohl eher eine Frage vom Typ des Anwenders.
    Es gibt Menschen die es mögen, wenn sich lange nichts ändert. Das vermittelt Sicherheit und Stabilität.
    Es gibt andere Menschen die sind Neugierig und möchten am Puls der Zeit bleiben.

    Es ist also eher eine Frage ob man sich der Dynamik hingibt, in der sich Software verändert oder ob man da zwischendurch mal ein Päuschen einlegen möchte.
    Dies hat aber kaum einen Einfluss darauf wie stabil eine Software ist und wie oft z.B. eine Anwendung abstürzt.
    Denn die Pakete selbst werden ja nicht besser nur weil sie in ein Repositorium mit der Aufschrift "stable" wandern.

    Und bei Arch ist schon auffallend, dass es sehr viele Installationen gibt die so lange laufen wie es die Hardware mitmacht.
    Was aber nicht nur an der "Stabilität der Pakete von Arch Linux liegen dürfte, sondern auch an dem Konzept von KISS. Denn dadurch, dass der User nicht mit unnötigen Tools davon abgehalten wird zu verstehen wie das System aufgebaut ist, weiß er auch wie er es anpassen kann oder wieder flott bekommt. Bei anderen Distributionen wird oft unnötig oft Neuinstaliert, einfach nur deshalb weil man den Usern mehr die Tools statt dem eigenen Durchblick vermittelt.

    Und das ist wohl der wesentlichste Unterschied zu anderen Distributionen.
    Bei Arch befähigt sich der User sein eigenes System zu bauen.

    Vielen Dank an alle für die großartigen und ausführlichen Antworten!