Werner schriebIch komme bei den 28 Punkten auf 18 Treffer 🙂
Ich sehe leider alle Punkte bestätigt.
(1) eine augenscheinlich utopische Gesellschaft, frei von Armut, Seuchen, Konflikten und sogar emotionaler Niedergeschlagenheit. Unter der Oberfläche offenbart sich jedoch genau das Gegenteil.
Genau das ist heutzutage doch schon der Fall. Einerseits wird die Spaßgesellschaft hochgejubelt, andererseits leiden heutzutage mehr Menschen an Depressionen als je zuvor.
(2) Weitgehende Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge ohne funktionierende Aufsicht und Regulierung des Staates. [und] (3) Privatisierung der öffentlichen Verwaltung, […]
Ist längst gelebte Realität mit privater Altersvorsorge, privaten Pflegediensten, und teilprivater („Jobcenter“ z.B. sind keine Ämter, die Leute dort keine Beamten) öffentlicher Verwaltung.
(4) Soziale Schichtung, wobei die Gliederung der Gesellschaft in soziale Klassen streng definiert ist und ebenso streng durchgesetzt wird. Es fehlt an sozialer Mobilität, […] (5) Eine reiche Oberschicht isoliert sich in nach außen abgeriegelten (und teilweise luxuriösen) Wohnkomplexen […]
Dazu habe ich neulich einen spannendes Feature im Radio gehört. Demnach gibt es mehrere Klassen: Superreiche, die jenseits jeglicher Einteilung über allem thronen, finanziell zu 100 Prozent abgesichert sind, und weder von öffentlichen noch politischen Entscheidungen beeinflusst werden, und oft in Prachtbauten umgeben von parkähnlichen Anwesen umgeben Leben. Dieser Klasse gehören viele Firmengründer und -erber an, ebenso verdiente Künstler aller Art.
Dann gibt es die „normalen Reichen“, die oft in Gated Communitys leben, oder Villen in Villenvierteln haben, und dort ebenfalls meist unter sich bleiben, schon aber nicht ganz so „unbeteiligt“ sind, wie „Superreichen“ – Direkt gefolgt von den Besserverdienern in Einfamilienhäusern in luxuriösen Wohnsiedlungen, die von „öffentlichen Entscheidungen“ durchaus berührt werden.
Die Mittelschicht leibt in Ein- oder Mehrfamilienhäusern, aber auch zur Miete in „guten“ Wohngegenden. Die Arbeiterklasse wohnt zur Miete in statistisch weniger gut situierten Gegenden, oder in Satellitenstädten, und pendelt nur zum Arbeiten in Richtung Stadtzentrum oder Industriegebiete. Die Unterschicht wohnt in „unbeliebten“ Gegenden, haüfig in sehr kleinen Mietwohnungen und Massen-Wohnanlagen, oft staatlich unterstützt.
Ein Wechsel zwischen den verschiedenen Klassen ist praktisch ausgeschlossen.
(6) Ein hohes Wohlstandsgefälle sichert der reichen Oberschicht Zugang zu hochwertigen Lebensmitteln und Wasser, während sich der Rest der Bevölkerung mit künstlichen Nahrungsmitteln zufriedengeben muss.
Auch das ist durchaus schon gängig. Wer nicht viel Geld besitzt, kann eben nur die weniger wertigen Lebensmittel aus dem Angebotssortiment, oder dem Discounter kaufen – oder eben einfach nicht so oft hochwertige Lebensmittel erwerben.
Im NDR gab es dazu neulich einen Bericht. Durchschnittlich haben Kinder aus Einkommensarmen schichten ~3 Euro täglich für Lebensmittel zur Verfügung, wohingegen Kinder von Eltern aus der Mittelschicht 9 Euro täglich zur Verfügung haben. Der „optimale Warenkorb“, der eine Für Kinder statisch optimal ausgewogene Ernährung ermöglicht, liegt, wenn ich mich richtig erinnere, bei etwa 7 Euro.
(7) wenig bis gar keine Mitbestimmung der unteren Schichten an politischen Entscheidungen, die allein von der Obrigkeit getroffenen werden.
Da wir ja nun mal eine Demokratie haben, in der jeder vorgeblich gleichberechtigt Stimmberechtigt ist, ist es objektiv gesehen nicht der Fall. Tatsächlich ist aber immer wieder zu beobachten, wie Reiche und Superreiche, im Regelfall über die von ihnen Geführten Konzerne und Unternehmen in einer Art und Weise Einfluss auf die Politik nehmen, die „Normalbürgern“ nicht möglich ist.
(8) staatliche Propaganda und ein Bildungssystem, das die meisten Bürger in die Anbetung des Staates und seiner Regierung nötigt
Eine Nötigung findet zwar nicht statt, aber die öffentliche Berichterstattung ist schon ziemlich tendenziös nach der vorherrschenden Politischen Meinung ausgerichtet, und wirkt oft wie ein Propaganda-Organ (und das, ohne die Verschwörungstheoretiker bemühen zu müssen, die momentan gerade aufgrund des Russland/Ukraine-Konflikts großen Zulauf haben).
(9) die Einführung einer Sprache, die Kritik am Staat oder die Organisierung eines Aufstands unmöglich macht, […]
Auch hier gibt es tatsächlich schon erste Tendenzen. So wird zum Beispiel streng zwischen „Krieg“ und „bewaffnetem Konflikt“ unterschieden (so hat Deutschland durch die Bundeswehr zwar sprachlich seit Jahrzehnten an keinem Krieg mehr teilgenommen, es de facto aber durchaus getan). Auch verschiedentliche Meinungsäußerung über den Staat steht unter strafe und ist der Zensur unterlegen.
(10) strikter Konformismus und die allgemein herrschende Annahme, dass Dissens und Individualität ein Übel seien. (11) in der Regel gibt es eine Repräsentationsfigur des Staates, die von den Bürgern fanatisch angebetet wird, […] (12) Angst bzw. Abscheu vor der restlichen Welt außerhalb des eigenen Staates.
Schon mal durch Reihenhaus-Neubausiedlungen gefahren? Konformismus in Reinform. Allerdings tun sich die meisten Deutschen mit einem staatlichen Führer (ob des Führers, den es ja schon mal gab) schwer. Jedoch: Die starken rechten Tendenzen, die sich um einige wenige „große Köpfe“ in der Szene Scharen sind definitiv nicht zu übersehen. Und was diese Menschen so von sich geben … Nun ja … Weißte selbst, was die Nazis so reden …
(13) […] Alternativ dazu die vollständige Dominierung der Gesellschaft durch eine Staatsreligion, […]
Wenn wir uns anschauen, wie eng trotz angeblicher Trennung von Staat und Kirche diese miteinander verwoben sind, und der Staat sogar per Kirchensteuer das Geld für die Kirchen eintreibt, könnte dies schon ein Indiz sein. Allerdings haben die Marktwirtschaft und der Konsum, die immer und von allen Seiten „gepredigt“ werden die Religion inzwischen ersetzt.
(14) das „historische Gedächtnis“ […] hebt das kollektive historische Gedächtnis der Menschen auf oder hat Vorrang vor diesem.
Gerade erst vorbei: Der Feier-Monat zur (keine Frage: richtigen, guten, und wichtigen) deutschen Einheit. Nicht ein Tag verging, ohne, dass alle permanent daran erinnert wurden, dass Deutschland mal geteilt war. Tagelang konnte man sicht auf keinem Sender dessen entziehen, um den eigentlichen Tag herum selbst auf den privaten nicht.
Dito bei Sport-Großereignissen, insbesondere beim Fußball. Was da jedes Mal für ein Bohei gemacht wird, was „wir“ alles erreicht haben sollen, und dass wir uns doch bitte alle zu freuen haben. – Oder in gewissen sozialen Gruppierungen die Casting-Shows: Das MUSS man einfach gucken, oder Soaps, oder DIE neue Internetseite, etc.
Überall steht das „wir“ im Vordergrund, wir werden an dieses und jenes erinnert, und bekommen von den Medien vorgesetzt, was wir zu feiern haben, wie wir uns fühlen sollen, und wie wir dieses oder jenes Ereignis im Gedächtnis behalten sollen.
(15) ein Strafvollzugsgesetz, dem eine angemessene Strafprozessordnung fehlt bis hin zum privatisierten Strafvollzug.
Justizvollzugsanstalt Hünfeld ist teilprivatisiert. Nach diesem Konzept sollen in Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg, und Niedersachsen weitere Justizvollzugsanstalten folgen. Ein Blick in die USA zeigt: Praktisch jedes Gefängnis ist dort privatisiert.
(16) Mangel an lebensnotwendigen Gütern für weite Teile der Bevölkerung, einhergehend mit bevorzugter Versorgung privilegierter Schichten.
Der Hartz-IV-Satz liegt bei: 391 Euro, das tatsächliche Einkommen (also der Nettolohn abzüglich Fixkosten für Strom, Miete, Versicherungen, etc.) liegt durchschnittlich bei 848 Euro. Die Armutsgrenze ist in Deutschland bei 980 Euro.
(17) permanente Überwachung durch die Regierung oder ihre Behörden.
Wer die zwei bis drei Jahre nicht unter einem Stein gelebt hat, kann hier sein Kreuzchen machen [_]
(18) Abwesenheit oder aber vollständige Kooptation der gebildeten Mittelschicht (z. B. Lehrer, Journalisten, Wissenschaftler), die in der Lage wäre, das herrschende Regime zu kritisieren.
Diese Schicht gibt es. Allerdings werden sie schlecht bezahlt, und dadurch künstlich klein gehalten, was einer Abwesenheit etwa gleich kommt. Das gilt übrigens für alle Schichten. Die Armen haben schlicht keine Zeit für Kritik, weil sie Arbeiten müssen, oder sich um andere Dinge kümmern müssen, und andere Sorgen haben. Die Reichen haben keine Notwendigkeit der Kritik, da sie, wie eingangs erwähnt, sowieso vom „herrschenden Regime“ nicht betroffen sind.
(19) militarisierte Polizeikräfte bis hin zur Privatisierung von Polizei und Militär.
Eine offizielle Privatisierung der Polizei hat in Deutschland zwar noch nicht stattgefunden, aberin anderen Ländern ist das bereits Gang und Gäbe. Zudem weiß ich aus direkter Quelle, dass Polizisten (zumindest in Hamburg) nur eine „Grundausrüstung“ gestellt bekommen, und einen deutlich zu geringen Zuschuss, so dass eine tatsächlich sichere und zuverlässige Ausrüstung zu großen Teilen selbst bezahlt wird – nicht, weil die Beamten „was bessere“ sein wollen, sondern weil die Gestellte Ausrüstung, und die unterstützenden Leistungen für die Ausrüstungsbeschaffung eine maximal sichere Ausrüstung schlicht nicht zulassen.
(20) die Verbannung der natürlichen (biologischen) Umwelt aus dem Alltag.
Siehe Stadtplanung … Welche natürlichen Flächen finden sich in Innenstädten oder Plansiedlungen noch?
(21) Konstruktion fiktionaler Ansichten über die Realität, die der breiten Masse aufgezwungen werden.
Der hochgeputschte Russland/Ukraine-Konflikt ist wohl das aktuellste und akuteste Beispiel. Aber auch ganz banale dinge, wie von den Krankenkassen bezahlte im Einkauf billigere Homöopathie, statt echter medizinischer Versorgung; oder das von den „Schönheitskonzernen“ propagierte optische „Idealbild“ von Menschen, das sich kaum mit der Realität oder gar gesund erreichbaren Zielen deckt, um fragwürdige Produkte zu verkaufen.
(22) Korruption, Unfähigkeit oder Usurpation der demokratischen Institutionen.
Lobbyismus.
(23) vorgetäuschte Rivalität zwischen Gruppen, die tatsächlich ein Kartell bilden.
Stromkonzerne, Tanktstellen, die Metro AG (Mediamarkt vs. Saturn, Real vs. Kaufhof), Schwartz-Gruppe (Kaufland vs. Lidl, Concord vs. Handelshof).
(24) die etablierten Kräfte bestehen darauf, dass sie die beste aller möglichen Welten verwirklichen und alle innerstaatlichen Probleme durch die Kräfte des (wenn nötig auch fiktiven) Feindes verursacht werden.
Jeder sagt von sich: „Die Bösen sind immer nur die anderen“, und sieht sich selbst im Recht.
(25) ein übergreifender, langsamer Zerfall aller Systeme (politisch, ökonomisch, religiös, infrastrukturell …), der der Entfremdung des Einzelnen von der Natur, dem Staat, der Gesellschaft, der Familie sowie sich selbst geschuldet ist. […] (26) Kritik, […] wird von der Medien- und Vergnügungskultur der Gesellschaft aufgesaugt, trivialisiert [und] von den staatlichen Medien zum reinen Zwecke der Unterhaltung bzw. Vergnügung […] aufbereitet […].
Das ist schon seit längerem zu beobachten, dass genau dies passiert. Teils ausgeprägter, teils weniger intensiv, aber durchaus vorhanden – In den öffentlich-rechtlichen Medien vor allem durch Satiresendungen verwurstet: „Lacht man drüber, vergisst man, fertig“. Ernsthaft mit etwas auseinanderzusetzen kostet mehr zeit und Energie, als – warum auch immer – drüber zu lachen.
(27) […] Die Ökonomie in dystopischen Gesellschaften ist so strukturiert, dass die Regierung oder das ökonomische System selbst immun gegenüber Veränderungen oder Störungen ist.
Milliardengeschenke aus Steuergeldern und von enteigneten Sparern für europäische Pleitebanken im Namen der Stabilität des Euroraums sind genau das.
(28) Industrien arbeiten mit maximaler Effizienz und Kapazität, […]
… und wo dies noch nicht der Fall ist, wird mit allen Mitteln versucht, genau das zu erreichen.