Arch Linux

Will Canonical eigentlich alles alleine machen?

Ovion

Ich muss sagen, ich finde Canonical langsam ziemlich befremdlich (abgesehen von den üblichen Geschichten von wegen Werbung in der Benutzeroberfläche und so).

Upstart als Alternative zu sysVinit hat durchaus schon seinen Sinn gehabt.

Dann haben sie sich gedacht, jo, Gnome, aber es muss unbedingt unsere eigene Oberfläche drauf. => Unity (in meinen Augen keine gute Entscheidung und auch kein gutes UI, aber gut)

Und der X-Server ist ja auch schon ein bisschen älter. Aber man beteiligt sich ja nicht an Wayland, was sich doch ziemlich zukunftsträchtig anhört (und bereits fast fertig ist), sondern man kündigt mal eben ein eigenes System an: Mir
WTF?

Warum? Ich versteh's echt nicht. Auf der einen Seite heißt es, sie wollen Rolling Release, um Entwicklerkapazitäten freizubekommen, auf der anderen starten sie Projekte (imho zumindest im Fall Mir recht unnötig) im Alleingang und ekeln mit ihren Copyright-Bedingungen externe, freiwillige Entwickler raus.

Kann mir mal jemand diese Firma erklären?

Dirk

Ovion schriebKann mir mal jemand diese Firma erklären?

Ovion

Fand ich auch naheliegend, aber gerade diese Erklärung passt irgendwie nicht zu den Symptomen: Eigenentwicklungen kosten und dem Endanwender ist's doch egal (zumindest in einem nicht unerheblichen Teil von Canonicals Zielgruppe), ob jetzt X oder Wayland oder was auch immer läuft. Wäre es da nicht profitabler, statt einer kompletten Eigenentwicklung, die man selbst unterhalten muss, auf etwas "fertiges" zurückzugreifen? UI, ok, Alleinstellungsmerkmal und so, aber beim Displayserver? Den sieht am Ende niemand.

Dirk

Ovion schriebWäre es da nicht profitabler, statt einer kompletten Eigenentwicklung, die man selbst unterhalten muss, auf etwas "fertiges" zurückzugreifen?

AUf den ersten Blick ja, aber denk das mal weiter: Eine Eigententwicklung bietet nicht nur absolut freie Wahl über Funktionen und (künstliche) Einschränkungen, sondern auch die Möglichkeit, sowohl Lizenz und Supportrahmen sowie -zeitraum völlig frei zu wählen, ohne, sich darum kümmern zu müssen, was der eigentliche Entwickler macht oder will.

Was Canonical macht, ist nur konsequent. Das Unternehmen will volle Kontrolle, und ein Maximum an Kapital aus Ubuntu schlagen. Deren Konsequent verfolgtes Ziel ist eine möglichst große Marktdurchdringung. Ob die sich Fremdsoftware anpassen, oder gleich von Anfang an zu 100 Prozent deren Wünschen/Zielen entsprechen, dürfte wohl auf’s selbe hinauslaufen.

Canonical will vor allem mit Werbung und Supportverträgen Geld verdienen. Externe Anbieter, die die Werbung aus der Software wieder entfernen, oder selbst Supportverträge anbieten, da die Software eben gut supportet werden kann, da sie frei verfüg- und analysierbar ist, sind für Canonicals Ziele von Nachteil.

Ubuntu ist eben nicht mehr die auf Debian basierende Linuxdistribution, sondern entwickelt sich mit jeder Version mehr und mehr hin zu einem auf Linux basierenden, eigenständigen Betriebssystem, wie z.B. Android es ist.

swordfish

Dirk schrieb
Ovion schriebWäre es da nicht profitabler, statt einer kompletten Eigenentwicklung, die man selbst unterhalten muss, auf etwas "fertiges" zurückzugreifen?
AUf den ersten Blick ja, aber denk das mal weiter: Eine Eigententwicklung bietet nicht nur absolut freie Wahl über Funktionen und (künstliche) Einschränkungen, sondern auch die Möglichkeit, sowohl Lizenz und Supportrahmen sowie -zeitraum völlig frei zu wählen, ohne, sich darum kümmern zu müssen, was der eigentliche Entwickler macht oder will.

Was Canonical macht, ist nur konsequent. Das Unternehmen will volle Kontrolle, und ein Maximum an Kapital aus Ubuntu schlagen. Deren Konsequent verfolgtes Ziel ist eine möglichst große Marktdurchdringung. Ob die sich Fremdsoftware anpassen, oder gleich von Anfang an zu 100 Prozent deren Wünschen/Zielen entsprechen, dürfte wohl auf’s selbe hinauslaufen.

Canonical will vor allem mit Werbung und Supportverträgen Geld verdienen. Externe Anbieter, die die Werbung aus der Software wieder entfernen, oder selbst Supportverträge anbieten, da die Software eben gut supportet werden kann, da sie frei verfüg- und analysierbar ist, sind für Canonicals Ziele von Nachteil.

Ubuntu ist eben nicht mehr die auf Debian basierende Linuxdistribution, sondern entwickelt sich mit jeder Version mehr und mehr hin zu einem auf Linux basierenden, eigenständigen Betriebssystem, wie z.B. Android es ist.

Jepp, gut auf den Punkt gebracht 😉 !

Hinzu kommt: Canonical hat offenbar das Ziel, Ubuntu als "Universal-OS" für mehr oder weniger jedes Gerät mit Display weiter zu entwickeln und dies dann auch für Geschäftskunden interessant zu machen. Da können diverse Eigenentwicklungen, über die das Unternehmen letztlich immer die Kontrolle hat, nur von Vorteil sein. Grade auch unter Sicherheitsgesichtspunkten.

Das spielt offenbar auch bei "Mir" eine gewisse Rolle: http://www.golem.de/news/projekt-mir-canonical-entwickelt-eigenen-display-server-1303-97968.html

kar

Ovion schriebUnity (in meinen Augen keine gute Entscheidung und auch kein gutes UI, aber gut)

Ansichtssache!

Ich finde Unity für DAUs genau richtig und ich habe Ubuntu (natürlich mit Unity) auch schon auf einigen DAU-Rechnern installiert und warte sie auch. Ich finde Unity sehr einfach zu administrieren und habe auch von den weniger bedarften Nutzern bisher keine negative Rückmeldung wegen des UI bekommen. Alle sind mit der Einfachheit zufrieden und sind froh, von Windows weg zu sein.

Auch die Gnome-Shell gefällt mir selbst sehr gut, aber für DAUs finde ich Unity einfach besser. Da ist mir die Gnome-Shell schon fast wieder zu komplex, um sie auf DAUs loszulassen.

Trotzdem nutze ich selber lieber KDE und habe mir meine Plasma-Oberfläche mittlerweile grob (bezüglich des UI bzw. des Look-&-Feels) wie Unity und die Gnome-Shell eingerichtet (z.B. kde-apps.org bietet da schon einiges an, aber ich habe auch schon so einige Blog-Beiträge darüber gelesen und habe mir da Ideen für mein eigenes Plasma-UI herausgepickt).

Kann mir mal jemand diese Firma erklären?

Dirk hat dazu ja schon einen sehr treffenden Beitrag verfasst, der wie die Faust aufs Auge passt.

Ich persönlich finde diese Entwicklung aber nicht verkehrt. Ich finde es gut, das sich ein Distributor wie Canonical darum Gedanken macht, wie man eine Linux-Distri DAU kompatibler machen und natürlich auch, wie man daraus Geld machen kann und es für den betrieblichen bzw. für Geschäftskunden attraktiver machen kann.

Natürlich fallen dabei auch fragwürdige Entwicklungen ab, wie z.B. dieser Amazon-Lens, aber da muss die Community eben auch einfach mal protestieren, was ja auch "lautstark" geschehen ist. Aber leider war dieser Protest teilweise auch unterhalb der Gürtellinie angesiedelt. Ich hätte mir da einfach mehr Konstruktivität gewünscht.

Aber letztlich werden von dieser Entwicklung alle profitieren und Distris wie z.B. Arch (sieht man auch gut bei z.B. Steam) können im Fahrtwasser von Canonical einfach mitschwimmen. Vielleicht stecke ich der Thematik auch nicht so tief genug drin, aber soweit ich weiß, war Canonical ja auch direkt an der Entwicklung für ein natives Steam für Linux "beteiligt" bzw. hat dafür "geworben" und sich bei nvidia und AMD für eine bessere Treiberentwicklung stark gemacht (zusammen mit Valve) und hat so auch andere Linux-Distris hinter sich her gezogen.

Creshal

> und Distris wie z.B. Arch (sieht man auch gut bei z.B. Steam) können im Fahrtwasser von Canonical einfach mitschwimmen

Genau das Problem "löst" Canonical gerade durch ihre ganzen Eigenentwicklungen.

Creshal

http://www.phoronix.com/scan.php?page=news_item&px=MTMxODA

Na, mit etwas Glück wir Mir eine Todgeburt.

distronicon

Hallo!

kar schrieb Aber letztlich werden von dieser Entwicklung alle profitieren und Distris wie z.B. Arch (sieht man auch gut bei z.B. Steam) können im Fahrtwasser von Canonical einfach mitschwimmen.

Ich kenne mich da nicht aus, aber momentan ist es doch glaub ich so, dass Steam für Linux "nur" als deb-Paket zu bekommen ist, oder?

Beste Grüße
distronicon

Creshal

Offiziell, ja, aber das kann auch für andere Distris umpaketiert werden (technisch, obs die EULA erlaubt, kA). Gibt auch einige Kernel-Entwickler (Greg K-H iirc), die Steam seit der closed beta auf Arch laufen haben.

Wie gut das noch funktioniert, wenn Ubuntu seine komplett eigene Infrastruktur hat…

distronicon

Creshal schriebOffiziell, ja, aber das kann auch für andere Distris umpaketiert werden (technisch, obs die EULA erlaubt, kA). Gibt auch einige Kernel-Entwickler (Greg K-H iirc), die Steam seit der closed beta auf Arch laufen haben.

Wie gut das noch funktioniert, wenn Ubuntu seine komplett eigene Infrastruktur hat…

Verstehe, das heißt ein einmal ausgegebener Binärcode für eine Linuxdistri ist (im Großen und Ganzen) auch für alle anderen Distris zu benutzen?

Dirk

distronicon schrieb… das heißt ein einmal ausgegebener Binärcode für eine Linuxdistri ist (im Großen und Ganzen) auch für alle anderen Distris zu benutzen?

Kommt drauf an, gegen welche Libs der gelinkt ist.

kar

Creshal schriebOffiziell, ja, aber das kann auch für andere Distris umpaketiert werden (technisch, obs die EULA erlaubt, kA).

Ja, die EULA erlaubt das seit einigen Wochen ganz offiziell! Deswegen kam ja Steam für 64bit ins Mulitlib-Repo und für 32bit ins Community-Repo.

Bevor diese "Erlaubnis" von Valve in der EULA geschrieben wurde, war Steam ja "nur" übers AUR verfügbar.

Wie gut das noch funktioniert, wenn Ubuntu seine komplett eigene Infrastruktur hat…

Ok, diesen Aspekt hatte ich bisher gar nicht berücksichtigt.

Aber es stimmt natürlich. Wenn "Mir" dann z.B. auch von nvidia und AMD offiziell unterstützt wird und es unter Umständen nicht ohne weiteres möglich ist, es unter anderen Distris zu installieren und nvidia und AMD irgendwann den Support des X-Servers fallen lassen (aber das wird wenn überhaupt, noch einige Jahre dauern, denn meines Wissens hängen dort auch einige Support-Verträge mit zusammen, welche sicherlich noch einige Jahre laufen werden) und Wayland gänzlich außen vor gelassen wird (bzgl. einer offiziellen Unterstützung von nvidia und AMD), dann könnte es in der Tat "heikel" werden.

Dirk

kar schrieb[…] und Wayland gänzlich außen vor gelassen wird (bzgl. einer offiziellen Unterstützung von nvidia und AMD), dann könnte es in der Tat "heikel" werden.

Das könnte dann der Aufstieg von Intel werden, aber die Krebsen ja lieber im Low-End- und Mobilbereich rum, anstatt gut unterstützte High-End-Karten raus zu bringen.

Isildur

Kommt es mir nur so vor oder agiert Canonical mit einer gewissen Arroganz gegenüber der Linuxwelt? Oder ist das nur das Bild das alle Linuxnutzer in die Welt setzen, die Canonical nicht mögen?
Ich hoffe auf jeden Fall, dass sie nicht zu viele Sonderwege gehen und so nicht komplett zu einem eigenen System werden bei dem die Kompatibilität zur allgemeinen Linuxwelt völlig auf der Strecke bleibt.

wbs

A reads of the mir stuff says to me "oh look. we don't understand wayland at all, neither do we grok X11 that much either".

Haha. 😃

http://www.phoronix.com/scan.php?page=news_item&px=MTMxNzY

swordfish

Isildur schriebKommt es mir nur so vor oder agiert Canonical mit einer gewissen Arroganz gegenüber der Linuxwelt? Oder ist das nur das Bild das alle Linuxnutzer in die Welt setzen, die Canonical nicht mögen?
Ich hoffe auf jeden Fall, dass sie nicht zu viele Sonderwege gehen und so nicht komplett zu einem eigenen System werden bei dem die Kompatibilität zur allgemeinen Linuxwelt völlig auf der Strecke bleibt.

Canonical verhält sich ganz einfach wie ein gewinnorientiertes Unternehmen, das Geld verdienen muss. Das bedeutet per se einen gewissen Interessenkonflikt mit einer zum großen Teil eher idealistischen (manchmal auch etwas naiven) Community, die zudem in eine Vielzahl von kleinen und kleinsten Interessengrüppchen zersplittert ist.

Solange man das alles als schönes Hobby sieht und auch damit leben kann, dass hin und wieder was nicht funktioniert oder die Entwicklung einer Distri oder einer bestimmten Anwendung apprupt beendet wird (oder sich in diverse Forks etc. aufsplittet), ist das alles kein Problem. Erstaunlicher Weise geht es im großen und ganzen ja auch durchaus positiv voran.
Aber wenn man ein Unternehmen darauf aufbaut, braucht man einfach deutlich mehr Planbarkeit und Berechenbarkeit - das verlangen dann nämlich Kunden, Investoren und letztlich auch die Belegschaft.

Insofern ergibt sich da einfach eine völlig andere Ausgangslage.

Letztlich verhält es sich mit Google (Android) und Apple (OSX) ähnlich. Denen wird auch gerne mal "Arroganz" vorgeworfen. Abgesehen davon, dass das zumindest teilweise ein berechtigter Vorwurf ist (Erfolg macht sehr sehr schnell arrogant), geht er aber auch ein Stück weit fehl, denn - wie gesagt - für ein Unternehmen, das letztlich Geld verdienen muss, gelten andere Bedingungen als für ein (noch so professionelles) Hobby-Projekt, das die Entwickler vor allem für sich selbst durchführen.

Creshal

Aber wenn man ein Unternehmen darauf aufbaut, braucht man einfach deutlich mehr Planbarkeit und Berechenbarkeit

In der Tat. Und dann kommen so Hobby-Frickel-Klitschen wie Canonical und machen einem die Planung kaputt.

Was die bspw. am Xorg rumfrickeln, ist nicht mehr feierlich. Canonical deprecated einfach wahllos APIs, ohne das irgendwo zu dokumentieren. Rausfinden tut man es, wenn der verantwortliche Entwickler nach drei Monaten in den Bugtracker schaut und das mal eben nebenbei erwähnt (nachdem die anderen Canonical-Entwickler sich wundgesucht haben, weil sie selber nichts davon erfahren haben).

Planungssicherheit für mich als Kunden? Fehlanzeige. Da bleibe ich lieber bei Debian.

Apropos: Red Hat schafft es komischerweise auch ganz ohne proprietäre Extrawurst.

Ovion

Apropos Red Hat:
Bedingt durch Herrn Pötterings Arbeitsvertrag ist Red Hat mit Hauptverantwortlicher für systemd, das in der Linuxwelt (wenn auch die Art der Einführung/das Auftreten des Hauptentwicklers sicher diplomatischer hätte geschehen/sein können) doch einen recht immensen Impact hatte, Red Hat hat die Brieftasche außerdem noch mit IcedTea im OpenJDK, in Samba und natürlich im Kernel und mit Sicherheit noch in weiteren populären Projekten. Hat zur Folge, dass afaik auch ziemlich viele Idealisten dort arbeiten/Red Hat doch recht beliebt zu sein scheint, was man so hört (bzw. was ich so wahrnehme, man möge mich korrigieren, wenn ich mich irre).

Ich glaube, Canonical bezahlt einige Kernelentwickler, aber sonst ist mir nichts bekannt, dass von Canonical unterstützt und gleichzeitig populär genutzt wird (man möge mich aufklären, falls es da was gibt, habe dahingehend keineswegs den Anspruch auf auf-dem-Laufenden-sein).

harald91

Um ehrlich zu sein finde ich die Entwicklung bedenklich, eigentlich sollten wir unixoiden doch zusammenhalten(!); wenn sich eine Distribution nicht an gängige Standards und Lizenzen hält und jeden Mist selber macht - nicht, weil sie es besser können - sondern, um ihre Auflagen damit zu verknüfen, dann entwickelt sie sich so weit von Kern weg, daß man sie nicht mehr dazuzählen kann. Wo ist am Ende der Unterschied, ob ich nun Software kaufe, oder den Support für Software, die ich ohne Support nicht mehr durchschauen kann? Nicht, daß ich grundsätzlich ein Problem damit hätte für gute Ware auch gutes Geld zu zahlen, aber im Endeffekt wird sich mit offener Hand bedient, um dann mit etlichen neuen Standards, als populärste Distribution, den Stellenwert von anderen Distributionen zu untergraben, auf die sich zum Beipsiel Sotware nicht mehr trivial portieren lässt.

Nächste Seite »